Teilhabe

Womit ich noch immer Schwierigkeiten habe umzugehen? Dass Teilhabe inzwischen „normal“ ist. Wenn man bedenkt dass ich im Herbst 2018 zum ersten Mal nach Jahren wieder zu einer Veranstaltungen gegangen bin, und das nur weil mich eine wundervolle Freundin dazu bestärkt hat, so könnte man doch annehmen ich hätte mich inzwischen daran gewöhnt. Doch das ist nicht so. All die Jahre in Armut waren geprägt davon Veranstaltungen, selbst wenn sie kostenlos waren, zu vermeiden. Aus Angst vor Gesprächen. Denn was könnte ich schon erzählen? Wir haben nichts unternommen, es gab weder Ausflüge noch Kino, ich konnte nicht über einen Job reden denn der war neben der Betreuung der Jüngsten unmöglich. Ich wusste nicht was rundherum los war, weil mir die Kraft gefehlt hatte mich dafür zu interessieren. Smalltalk also unmöglich. Dieses Gefühl, nichts sagen zu können, ja, nichts beitragen zu können, war ständiger Begleiter. Aber auch die Angst. Angst, Sätzen wie „na einen Kaffee wirst dir ja doch leisten können“ oder „den Film musst du dir mit den Kindern anschauen“ nicht ausweichen zu können. Offen zu sagen dass es nicht leistbar ist – das ging damals noch nicht.

Seit 2018 aber erlebe ich wieder Teilhabe. Sei es weil ich mit mit Freund*innen auf einen Kaffee treffe oder zu Veranstaltungen gehe. Sei es weil ich Lesungen habe oder bei Diskussionsrunden dabei sein darf. Was ein unglaubliches Privileg ist. Und trotzdem hat sich dieses Gefühl, hier fehl am Platz zu sein, hier gar nicht herzu gehören, festgesetzt. Immer ein Gefühl von „irgendwann muss es doch auffallen dass ich gar nicht hier her passe“. So, als würde ich etwas Falsches tun. Und genau das ist ein Überbleibsel aus der Zeit der Beschämung.

Allein diese Woche durfte ich bei DorfTV sein, wir haben 50 Minuten über Armut gesprochen. Und die Rückmeldungen waren unglaublich toll. Ich war im Thalia in Wien, hab mein Buch vorgestellt, bin davor mit zwei lieben Menschen ins Café gegangen. Und ich war bei einer Veranstaltung der Volkshilfe OÖ zu Kinderarmut. Aber bei allem bleibt ein Gefühl: ich bin nicht gut genug. Ich muss besser werden, mehr Wissen aneignen als andere, mich mehr beweisen. Denn sonst bin ich wieder jene, die sich zu wenig bemüht. Jeder kleinste Fehler, jedes „sorry, das weiß ich momentan nicht“ wirft mich um Jahre zurück. Das macht Beschämung mit Menschen. Sie macht dich nicht nur leise sondern auch unsicher. Natürlich lerne ich jeden Tag dazu, vor allem dank Menschen in meinem Umfeld, die mich bestärken. Doch die meisten Betroffnen haben dieses Glück nicht. Sie sind alleine. Zurückgezogen. Eigentlich sollten sie auf den Bühnen sitzen und diskutieren, sollten gehört werden und als das angesehen werden was sie sind: Expert*innen auf ihrem Gebiet. Denn sie wissen am besten was es braucht. Ich werde in Zukunft noch stärker dran arbeiten das Bewusstsein über Beschämung zu verbessern.

Bis dahin ist es noch ein langer Weg. Auch für mich. Denn ich muss endlich lernen mich selbst wieder als Teil dieser Gesellschaft sehen zu können.

Eure Frau Sonnenschein

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