Mein Weg bestand eigentlich schon immer aus zwei Schritte vorwärts, einen zurück. Doch die letzten Jahre waren es eher zwei vorwärts und 5 Schritte zurück. Und trotzdem immer wieder versucht etwas positives daraus mitnehmen. Das umschreibt mich schon ziemlich gut. Ich bin Daniela, Mutter von vier wundervollen Kindern, seit 20 Jahren verheiratet und schon so oft hingefallen dass es für mich eigentlich mehr Normalität denn Ausnahme war.
Durch schwere Erkrankungen und fehlende Vereinbarkeit sind wir in die Armut geraten. Massive Armut. Aus Angst vor Erwerbsarbeitslosigkeit haben wir uns dann auch noch auf die Arbeit als freie Dienstnehmer eingelassen, was eher einer Scheinselbständigkeit gleich kam. Fazit war, dass wir weder Anspruch auf Sozialleistungen noch Krankenstand noch Urlaub hatten. Der Weg aus dieser Armutsfalle hat mehrer Jahre gedauert. Unwissenheit, Angst, Beschämung, Demütigungen und viele Vorurteile haben erreicht, dass wir uns mehr und mehr zurückgezogen haben. Mangels Geld wurden die Kontakte weniger, Teilhabe war nicht mehr leistbar. Ohne Teilhabe kein Netzwerk, niemand, der Rückhalt gibt oder bestärkt. Und irgendwann kommt der Punkt an dem man die Beschämungen von außen übernimmt. An dem man selbst glaubt, versagt zu haben, nichts zu können oder gar nicht zu wollen. Realistisch betrachtet absoluter Blödsinn, doch genau das bewirken all die Vorurteile, die auf Armutsbetroffene einprasseln. Man verlernt bzw. verleugnet vor allem eins: die eigenen Talente. Denn – wer arm ist muss doch entweder zu faul sein oder schlichtweg eine Versagerin……..
Viele resignieren, haben durch die Existenzangst, die täglichen Sorgen und Ängste, den Dauerstress, der sich daraus ergibt keine Kraft mehr. Und ich verstehe es absolut. Ich hatte das Glück, eine Resilienz zu entwickeln, je schlimmer die Situation wurde, je beschämender die Aussagen, je demütigender der Umgang mit mir, desto mehr habe ich begonnen, mich dagegen zu wehren. Zuerst noch anonym, auf Twitter. Aus Angst. Angst vor den Kommentaren, Angst, jemand aus der damaligen Nachbarschaft könnte mitlesen. Habe über den Alltag in Armut geschrieben, über die Bevormundungen, darüber, wie sehr sich Armutsbetroffene für alles rechtfertigen müssen. Habe meinem Frust und meiner Wut, und auch meiner Verzweiflung einen Weg in die Öffentlichkeit verschafft. Statt der erwarteten beschämenden Aussagen (gab zwar im Laufe der Jahre einige, aber sie waren in der Minderheit) habe ich zum ersten Mal seit Jahren Wertschätzung erleben. Und viele Menschen, die langsam aber doch ihren bisherigen Blick auf Armutsbetroffene, ihre antrainierten Vorurteile hinterfragt haben.
Mein Weg in die Öffentlichkeit hatte bisher viele positiven Seiten, von der Möglichkeit bei Diskussionen teilzuhaben, Vorträge und Reden zu halten, Kolumnen zu schreiben, StudentInnen begleiten zu dürfen, gemeinsam mit WissenschaftlerInnen an Projekten zu arbeiten, interviewt zu werden, Mitglied der Jury des „Journalistenpreis von unten“ der Armutskonferenz zu sein und ein wundervolles Netzwerk aufzubauen. Aber es gab und gibt eben auch die negativen Seiten. Von Shitstorms in den sozialen Medien, die sehr belasten können bis hin zu Interviewanfragen die mehr als grenzwertig und beschämend sind. „Könnten wir bei Ihnen filmen damit die Menschen sehen dass nicht alle Armutsbetroffenen Messis sind…“ oder „Sie wären ein super Beispiel dass arm nicht immer bedeutet faul und undiszipliniert zu sein…“. Solche Anfragen lehne ich inzwischen nicht nur ab sondern versuche auch zu erklären, was daran schief läuft. Zu Beginn waren die Reaktionen noch sehr verhalten, inzwischen steigt das Interesse daran, was an Armutsberichterstattung noch falsch läuft und was man verändern könnte.
Seit einiger Zeit darf ich verschiedene Firmen und Medien beraten und begleiten, sei es, MitarbeiterInnen/ Führungskräfte zum Thema Armut zu sensibilisieren, bei Artikeln beschämende oder stigmatisierende Aussagen erkennen und benennen, Betroffene für Interviews und die möglichen Kommentare vorbereiten, sowohl Redaktionen als auch Betroffene durch die Kommentare begleiten und vor allem eine Kommunikation auf Augenhöhe ermöglichen. Denn eins ist leider wahr, Armut wird in den nächsten Jahren sehr viele Menschen betreffen, deshalb ist es nun wichtiger denn je dass sich Armutsbetroffene an die Öffentlichkeit wagen und zeigen, dass die Vorurteile falsch sind. Je länger wir Beschämung zulassen und nicht dagegen laut werden, desto mehr Menschen werden in diesen Rückzug verfallen, in den täglichen Kampf, den sie mangels Teilhabe alleine durchstehen müssen. Doch dies schaffen wir nur indem wir sensibilisieren und aufklären!
Eure Frau Sonnenschein